Pressekonferenz  „Fonds Sexueller Missbrauch vor dem Aus? – Warum staatliche Verantwortung unverzichtbar bleibt“ am 14. März 2025

Statement UBSKM Kerstin Claus zur neuen Richtlinie zum Fonds Sexueller Missbrauch

 - Es gilt das gesprochene Wort –

Danke, dass Sie sich in diesen herausfordernden Tagen Zeit für dieses Thema genommen haben.
Sie werden es mitbekommen haben: Das BMFSFJ hat am Mittwoch öffentlich gemacht, dass Erstanträge für den Fonds Sexueller Missbrauch nur noch bis 31. August 2025 gestellt werden können. Damit ist klar: Der Fonds, der seit 12 Jahren eines der wichtigsten Hilfesysteme für Betroffene von sexueller Gewalt ist, steht vor dem Aus! Das ist nach allem, wofür Betroffene in diesen Jahren gekämpft haben, ein fatales Signal der Politik.

Es ist die Aufgabe des Staates, Kinder und Jugendliche bestmöglich zu schützen - und konsequent Verantwortung zu übernehmen, wenn Kinder und Jugendliche nicht ausreichend geschützt wurden. Dieser Verantwortung entzieht sich die Politik – und damit auch der Staat – gerade. Dabei war es eine der wesentlichen Errungenschaften des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“, dass für Betroffene ein ergänzendes Hilfesystem aufgebaut wurde.

Ein kurzer Blick zurück:
Der „Fonds Sexueller Missbrauch“ startete 2013 mit dem Ziel, Betroffenen sexuellen Missbrauchs in Kindheit und Jugend über ein schnelles und unbürokratisches System geeignete subsidiäre Hilfeleistungen zuzusprechen. Betroffene können seitdem Sachleistungen in Höhe von bis zu 10.000 EUR beantragen, bei einem Mehrbedarf bei Behinderung bis zu 15.000 EUR.

Der Fonds setzt dort an, wo die bestehenden Hilfesysteme wie das Opferentschädigungsrecht ins Leere laufen, weil Betroffene die erlebte Gewalt nicht oder nicht mehr hinreichend beweisen können. Denn es ist ja gerade ein Spezifikum dieser Gewaltform, dass Zeugen oft fehlen, Taten im Verborgenen stattgefunden haben.

Zum Beispiel für ergänzende Therapien, Geld für einen Umzug, um den Ort des Missbrauchs zu verlassen, das Nachholen von schulischen oder beruflichen Qualifikationen oder ein neues Sofa, weil das alte Tag für Tag Erinnerungen wachruft.

Wo stehen wir heute?
Mit der nun am Mittwoch durch das Familienministerium veröffentlichten Richtlinie steht dieses wichtige Hilfesystemvor dem Aus! Die Richtlinie gilt seit 1. Januar 2025 – dennoch hat die Öffentlichkeit und haben Betroffene erst vor zwei Tagen aus den Medien erfahren, dass sie Anträge nur noch bis Sommer stellen können! Erneut wurden die wichtigen Prämissen in der Kommunikation mit Betroffenen – Transparenz, Kommunikation auf Augenhöhe, Betroffene nicht zu Bittstellern machen – missachtet.

Die Abrechnungsmodalitäten sind seit Januar deutlich erschwert worden. Bisher mögliche Vorauszahlungen werden nicht mehr gewährt. Für Betroffene bedeutet das, dass sie in Vorleistung gehen müssen – was viele schlichtweg nicht können. Laut Beratungsstellen betrifft dies über 90 % der Antragstellenden.

Dass sich der Staat jetzt fast geräuschlos aus der Verantwortung stiehlt, ist ein desaströses Signal für Betroffene und ein Armutszeugnis für die Politik. Seit 2024 ist das Schreiben des Bundesrechnungshofs bekannt - und damit auch bekannt, dass der Fonds nicht rechtskonform ist und so nicht weitergeführt werden kann. Diese Zeit wurde nicht genutzt. Bis heute wurde von keiner Seite darüber nachgedacht, wie diese Lücke geschlossen werden oder ein Nachfolgemodell aussehen kann - und wie gewährleistet wird, dass ein Nachfolgemodell nahtlos an den Fonds anknüpft, damit für Betroffene keine Lücke entsteht!

Die künftige Bundesregierung darf sich der Verantwortungsübernahme nicht entziehen. Für Betroffene sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend ist der Fonds Sexueller Missbrauch DAS zentrale Hilfesystem. Daran hat sich auch mit der Reform des Opferentschädigungsrechts nicht geändert. Das Ende des Fonds bedeutet eine Missachtung der Lebensrealität von Betroffenen und eine fehlende Anerkennung ihrer Biografie.

Ich fordere daher ein Nachfolgemodell, das niedrigschwellig, dauerhaft, rechtssicher und haushaltskonform ist.
Ich fordere ein Modell, das lückenlos an den bisherigen Fonds anschließt, d. h. Betroffene müssen nahtlos weiter Anträge stellen und Leistungen wieder direkt abrechnen können.
Und ich fordere ein Modell, das wie bisher das Leid der von sexuellem Missbrauch betroffenen Menschen anerkennt und individuelle Hilfen für Betroffene aller Tatkontexte und ihrer entsprechenden Bedarfe ermöglicht.

Ich erwarte von den Koalitionspartnern, dass dies entsprechend im Koalitionsvertrag vereinbart wird.

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Pressekontakt UBSKM:
Friederike Beck, Pressesprecherin, Tel. 03018 555-1554, friederike.beck@ubskm.bund.de

Petition zur Unterstützung des Fonds: https://innn.it/missbrauch

PRESSEMITTEILUNG_Fonds Sexueller Missbrauch vor dem Aus.pdf