Vergewaltigung und sexuelle Nötigung

Nach einer Vergewaltigung ist die Seele traumatisiert. Die Reaktionen darauf fallen ganz unterschiedlich aus. Oft ist es so, dass eine Betroffene erst mal nicht darüber reden, das Erlebte verdrängen möchte. Trotzdem wäre es gut, mit den Gefühlen nicht allein zu bleiben! Reden Sie mit einer guten Freundin oder mit jemandem, dem Sie vertrauen. Dies ist ein erster Schritt, das Erlebte aktiv zu bewältigen.

In der Beratung des Frauennotrufs hören wir Ihnen zu und unterstützen Sie. Dabei können Sie selbst entscheiden, worüber Sie sprechen möchten. Auch wenn Sie persönlich von rechtlichen Schritten absehen wollen, können Sie unsere Beratungsstelle nutzen. Die Gespräche sind für Sie kostenlos und auf Wunsch anonym.

Vergewaltigung und sexuelle Nötigung sind die extremsten und schlimmsten Formen sexueller Übergriffe, mit denen Frauen und Mädchen konfrontiert werden. Sie sind überall und jederzeit möglich, und nicht immer gelingt es, sich dagegen zu wehren. Jede siebte Frau wurde in ihrem Leben schon einmal sexuell genötigt oder vergewaltigt. Bei einer Vergewaltigung handelt es sich um eine massive Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung und körperlichen Unversehrtheit einer Frau, indem ihr durch Gewalt, Drohung oder Gefahr für das eigene Leben der Wille des Täters aufgezwungen wird.

Von einer Vergewaltigung (oder sexuellen Nötigung) spricht man nicht nur, wenn es zum Geschlechtsverkehr kommt, sondern auch bei anderen sexuellen Handlungen die unter Zwang oder Drohung geschehen.

Bei der Vergewaltigung geht es dem Mann in der Regel nicht um die Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse, sondern vorrangig um Machtausübung und Erniedrigung der Frau. Die meisten Opfer kennen den Täter aus ihrem sozialen Umfeld. Über 90 % der Täter haben keine psychische Erkrankung, sondern sind „ganz normale“ Männer.

Bei einer Vergewaltigung oder sexuellen Nötigung erleidet eine Frau einen völligen Kontrollverlust über ihren eigenen Willen und Körper. In dieser traumatischen Situation empfinden viele Frauen Ekel, erleiden massive Ängste - häufig akute Todesängste – und wenn ihnen der Täter bekannt ist, bedeutet die Vergewaltigung darüber hinaus einen massiven Vertrauensmissbrauch. Es gibt kein „richtiges“ Verhalten in einer solchen Situation. Jede Verhaltensweise ist eine intuitive Reaktion um das eigene Überleben zu sichern. So lassen manche Frauen die Vergewaltigung erstarrt vor Angst über sich ergehen, andere wehren sich oder verhalten sich scheinbar entgegenkommend, um so die Gefahr für ihr Leben zu verringern.

Nach einer Vergewaltigung reagieren einige Frauen äußerlich relativ ruhig und gefasst, andere Frauen brechen zusammen, weinen, sind völlig aufgelöst, wieder andere wirken nach außen total erstarrt, verstört und leer. Es gibt keine Standardreaktionen auf Vergewaltigung. Jede Reaktion ist normal und angemessen angesichts dessen, was die Frau erlebt hat. Viele Frauen glauben, sich falsch verhalten zu haben und sich rechtfertigen zu müssen, warum gerade ihnen das passiert ist. Im öffentlichen Bewusstsein gibt es immer noch viele Vorurteile. Fragen wie: „Warum bist du auch zu ihm ins Auto gestiegen..., mit ihm in die Wohnung gegangen..., hast du dich nicht gewehrt“, verstärken oft Schuld- und Schamgefühle der Frauen.

Seit 2014 gibt es im Saarland die „Vertrauliche Spurensicherung“ nach Vergewaltigung (VSS). Hier haben Sie die Möglichkeit, ohne Anzeige sich medizinisch versorgen und die Spuren sichern zu lassen, die dann bis zu 10 Jahren gelagert werden, falls Sie sich zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Anzeige entschließen sollten.

Die medizinische und gynäkologische Untersuchung ist nach einer Vergewaltigung meist eine zusätzliche psychische Belastung. Dennoch ist sie sehr wichtig, um eventuelle Verletzungen behandeln zu lassen, eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern und Beweise zu sichern.

Unabhängig davon, ob Sie Anzeige erstatten möchten oder nicht, sollten Sie nach der Tat möglichst innerhalb von 24 Stunden ihre Frauenärztin oder den Notdienst eines Krankenhauses aufsuchen. Waschen Sie sich vorher nicht, auch wenn es Ihnen schwerfällt. Heben Sie alles auf, was als Beweismittel dienen könnte, in einer Papiertüte auf, z.B. Unterwäsche, während der Tat getragene Kleidungsstücke, Tampons, Slipeinlagen usw.

Auch wenn Sie im Moment keine Anzeige erstatten wollen, müssen Sie nicht auf die Sicherung von Beweismitteln verzichten, die sich nur innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Tat nachweisen lassen. Die Spurensicherung ist vor Gericht ein wichtiger Beweis dafür, dass eine Vergewaltigung stattgefunden hat. Sie können noch bis zu 20 Jahre nach der Tat eine Anzeige erstatten, die Spuren werden bis zu 10 Jahren gelagert.

Aufgrund der ärztlichen Untersuchung können Sie auch feststellen, ob eine Geschlechtskrankheit übertragen wurde, ob eine H.I.V.-Infektion vorliegt oder ob Sie durch die Vergewaltigung schwanger geworden sind. Besprechen Sie mit der Ärztin, welche Vorsichtsmaßnahmen für Sie in diesem Fall geeignet sind.

Wenn Sie nicht allein zur ärztlichen Untersuchung gehen wollen, kann eine Mitarbeiterin der Beratungsstelle Sie begleiten. Vielleicht ist es auch hilfreich für Sie, sich in dieser Situation von einer Freundin oder anderen Vertrauensperson unterstützen und begleiten zu lassen.

„Pille danach“
Dabei handelt es sich um Hormonpräparate, mit deren Einnahme Sie idealerweise am 1. Tag, spätestens jedoch am 3. Tag nach der Tat beginnen sollten. Seit 2015 ist die „Pille danach“ rezeptfrei, sodass Sie diese direkt in der Apotheke kaufen können.

„Spirale“
Sie kann bis zu 5 Tage nach der Tat in die Gebärmutter eingesetzt werden und verhindert das Einnisten des befruchteten Eies. Das Einsetzen der Spirale kann in der Praxis einer Frauenärztin während einer gynäkologischen Untersuchung vorgenommen werden.

Vergewaltigung ist stets aus zwei Blickwinkeln zu betrachten, dem juristischen und dem Blickpunkt aus Sicht des Erlebens der Frau. Juristisch gesehen wird dann von einer Vergewaltigung ausgegangen, wenn die im § 177 des Strafgesetzbuches genannten Kriterien für sexuelle Nötigung und Vergewaltigung erfüllt sind. Trotzdem kann es sein, dass das, was eine Frau als Vergewaltigung empfindet juristisch nicht als Vergewaltigung bestraft werden kann. Erschwerend ist vor allem die Tatsache, dass bei Vergewaltigungen meist Aussage gegen Aussage vorliegt. Im seltensten Fall gibt es direkte Zeugen. Eine Vergewaltigung ist auch in der Ehe oder einer Lebenspartnerschaft strafbar.

Allerdings hat sich 2016 das Gesetz geändert. Seitdem liegt eine sexuelle Nötigung bzw. Vergewaltigung nach § 177 StGB vor, wenn gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vorgenommen werden oder eine Person sexuelle Handlungen an sich vornehmen lässt oder eine andere Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt wird. Das heißt, es reicht mittlerweile juristisch aus, wenn eine Person gegen den Willen einer anderen Person handelt, auch wenn die genötigte Person sich nicht körperlich gewehrt oder um Hilfe ruft.

Vergewaltigung ist ein besonders schwerer Fall der sexuellen Nötigung und ist aus juristischer Sicht insbesondere dann erfüllt, wenn ein Eindringen in den Körper (vaginal/ anal/ oral) einer Frau gegen ihren Willen vorgenommen wird (§177 Nr. 1 StGB). Wenn z.B. jemand einer Frau droht, sie umzubringen oder sie gewaltsam zwingt, den Täter zu streicheln oder andere sexuelle Handlungen vorzunehmen, ist das eine sexuelle Nötigung. Wenn der Täter dabei in eine Körperöffnung der Betroffenen eindringt oder eine andere besonders erniedrigende Handlung vornimmt, so ist das eine Vergewaltigung.

Die sexuelle Nötigung und die Vergewaltigung sind Offizialdelikte, d.h. die Polizei und Staatsanwaltschaft sind verpflichtet, zu ermitteln, wenn sie von der Straftat erfahren. Das bedeutet, dass eine Anzeige nicht ohne weiteres zurückgezogen werden kann. Der Schritt sollte gut überlegt sein, insbesondere weil Vernehmungen im Verfahren für Betroffene eine große Belastung darstellen können.

Niemand ist verpflichtet, eine Vergewaltigung anzuzeigen!

Keine der Mitarbeiterinnen wird Sie drängen, sich auf ein gerichtliches Verfahren einzulassen, wenn Sie dies nicht wollen oder wenn Sie sich der Situation nicht gewachsen fühlen. Wenn Sie nicht sicher sind, können wir Sie bei der Entscheidung unterstützen und den Verlauf einer Anzeige, des Gerichtsprozesses und der möglichen Folgen besprechen.