Gemeinsame Stellungnahme zur Berichterstattung in der Saarbrücker Zeitung

über ein Vergewaltigungsverfahren vom 20., 21. und 26.Juli 2021

Seit der #MeToo-Bewegung ist sexualisierte Gewalt in der Öffentlichkeit ein Thema, das mehr
Beachtung findet- auch in unseren Medien. Gewaltbetroffene Frauen und Mädchen hatten und
haben den Mut, sich öffentlich dazu zu äußern und sind auch manchmal bereit, den Weg einer
Anzeige zu gehen. Signale, die Betroffene damit setzen wollen sind u.a.

• Es passiert vielen, du bist nicht alleine damit
• Wir können uns wehren
• Gewalt gegen Frauen ist kein individuelles Problem, sondern ein Problem in unserer
  Gesellschaft und damit ein politisches Thema

Spätestens seit Inkrafttreten der Istanbul-Konvention in Deutschland im Februar 2018 kommt auch
den Medien eine besondere Bedeutung zu, wenn es darum geht, über (sexualisierte) Gewalt gegen
Frauen und Kinder zu berichten. In Artikel 17 ist gesetzlich festgehalten, dass Medien Richtlinien
erarbeiten und beachten müssen, um Gewalt gegen Frauen zu verhüten und die Achtung ihrer
Würde zu erhöhen.

Neben wissenschaftlichen Forschungen und Veröffentlichungen zeigt auch die #MeToo-Bewegung
deutlich, wie wichtig es ist, in angemessener Form zu berichten. Denn, so in der aktuellen
Veröffentlichung der Otto-Brenner-Stiftung „Tragische Einzelfälle? Wie Medien über Gewalt gegen
Frauen berichten“ vom Juli 2021: „Ob und in welcher Form über Gewalt gegen Frauen berichtet wird,
beeinflusst den gesellschaftlichen Umgang mit diesem Problem.“

Nach wie vor entscheiden sich die wenigsten Frauen nach einer Vergewaltigung anzuzeigen. Daran
hat auch das seit fünf Jahren geltende Sexualstrafrecht wenig geändert. Und leider hat sich auch
wenig daran geändert, dass weiterhin nur in wenigen Fällen Anklage erhoben wird. Zudem dauert
die Zeit zwischen Anzeige, abgeschlossenem Ermittlungsverfahren und der Entscheidung darüber, ob
Anklage erhoben wird oder nicht, nach wie vor für die Betroffenen zu lange.

Es verwundert also nicht, dass sich die Gewaltbetroffenen gut überlegen, ob sie diesen Schritt tun
wollen. Den juristischen und damit den öffentlichen Weg zu gehen bedeutet in der Regel eine hohe
Belastung für die Betroffenen. Sie müssen sich, meist nach langer Zeit, detailliert an die Gewalt
erinnern und als Opferzeugin von dieser erzählen. Dies kann eine Retraumatisierung auslösen.

Sie sind im Verfahren mit einem System konfrontiert, das sie nicht kennen, auf das sie keinen Einfluss
haben, sind wieder einer relativ ohnmächtigen Situation ausgeliefert, weit von Selbstbestimmung
entfernt.

Umso wichtiger ist es aus unserer Sicht, Frauen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben, Mut zu
machen, sich einem solchen Verfahren zu stellen. Im Umgang der Justiz hat sich in den letzten Jahren
einiges getan, wenn es auch noch weiteren Handlungsbedarf gibt. Es wurden z. B. Instrumente
geschaffen, wie die Psychosoziale Prozessbegleitung, damit die Betroffenen nicht alleine durch das
ganze Prozedere müssen.

Und hier kommt im Sinne der öffentlichen Wahrnehmung von Gewalt gegen Frauen der Presse eine
besondere Bedeutung zu.

An dieser Stelle wollen wir nochmals auf die #MeToo-Bewegung hinweisen. Denn durch diese
Debatte, die 2017 ihren öffentlichen Anfang fand, haben sich bis heute weltweit Frauen, aber auch
Männer, geäußert, und ihre Gewalterfahrungen öffentlich gemacht. Das ist auch den vielen
engagierten Journalist*innen zu verdanken, die über das Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen
berichtet haben und berichten – und zwar ausdauernd und mit einer differenzierten Haltung.

Betroffene von Gewalt erhalten durch eine gelungene Berichterstattung Informationen und werden
aufgeklärt über Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten. Viele Fachberatungsstellen machen die
Erfahrung, dass bei mehr medialer Präsenz des Themas die Kontaktaufnahme durch Betroffene
ansteigt.

Hingegen wird eine Berichterstattung, die Vergewaltigungsmythen bedient, die Angst vor all dem
macht, was auf die Frauen zu kommt in solchen Gerichtsverfahren, die irrelevante Informationen
verbreitet, die mit dem eigentlichen Verfahren nichts zu tun haben, betroffene Frauen eher
zusätzlich schädigen als ihnen Mut zu machen, sich auf diesen juristischen Weg zu begeben und die
Tat anzuzeigen.

Um Gewalt gegen Frauen sichtbar zu machen und das Dunkelfeld zu erhellen, braucht es eine
aufklärende und fachlich informierende Pressearbeit. Dies erwarten wir auch von der Saarbrücker
Zeitung!

Information zum Frauennotruf Saarland: Die Beratungsstelle unterstützt und begleitet
gewaltbetroffene Frauen und ist zu erreichen unter der Telefonnummer 0681-3 67 67 und unter
info@frauennotruf-saarland.de

Information zum Frauenrat Saarland e.V.:
Der Frauenrat Saarland e.V. ist ein Dachverband mit insgesamt 44 Frauenorganisationen aus dem
Saarland und vertritt somit mehr als 100.000 Saarländerinnen. Bundesweit sind in den
Landesfrauenräten ca. 14 Millionen Bürgerinnen organisiert.

Weitere Infos unter:

Otto-Brenner-Stiftung
„Tragische Einzelfälle? Wie Medien über Gewalt gegen Frauen berichten“
www.otto-brenner-stiftung.de
Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe e.V.
www.frauen-gegen-gewalt.de
Broschüre „Sexualisierte Gewalt in den Medien“ Anregungen zur Berichterstattung über Straftaten
gegen die sexuelle Selbstbestimmung
www.frauennotruf-saarland.de

V.i.S.d.P.: Antonia Schneider-Kerle, Frauennotruf Saarland, info@frauennotruf-saarland.de
Tel. 0681-3 67 67

Lisa Weber, Frauenrat Saarland e.V., info@frauenrat-saarland.de
Tel. 0681-98802161