Neue Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes

"Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz - Lösungsstrategien und Maßnahmen zur Intervention" Wichtige Ergebnisse im Überblick

Am Freitag den 25.10.2019 hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) ihre aktuelle Studie "Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz - Lösungsstrategien und Maßnahmen zur Intervention" vorgestellt. Die Studie wurde von Dr. Monika Schröttle, Ksenia Meshkova und Clara Lehmann im Auftrag der ADS erstellt.

Der Rahmen:

• Durchführungszeitraum der Studie war Juni 2018 bis Mai 2019.
• In der repräsentativen Studie wurden 1531 Personen telefonisch befragt. Weiterhin gab es einen qualitativen Studienteil mit Vertiefungsinterviews von Betroffenen sowie Fokusgruppendiskussionen mit verschiedenen Zielgruppen.
• Grundlegend beschäftigt sich die Studie mit Prävalenzen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, mit der Frage der Rechtsnutzung von Betroffenen sowie gesetzlichen Schutzlücken und mit Maßnahmen, die ergriffen werden müssen.

Einige wichtige Ergebnisse:

• 9% der Befragten waren in den letzten 3 Jahren von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betroffen. Dabei machten Männer 5% und Frauen 13% der Betroffenen aus. (Achtung, wenn ihr mit anderen Studien zum Thema vergleicht: hier handelt es sich nur um die letzten 3 Jahre – die meisten anderen vorliegenden Studien erfassen Prävalenzen bezogen auf sehr viel längere Zeiträume und gelangen dementsprechend zu höheren Betroffenheits-Zahlen)
• Am häufigsten wurde verbale Belästigung (62%) genannt (Kommentare, Witze), aber auch non verbale Belästigung wie Blicke und Gesten (44%) waren häufig. Unerwünschte Berührungen und körperliche Annäherung wurden von 26% der Betroffenen genannt.
• Meist handelt es sich um wiederholte Belästigungen und viele Betroffene empfinden die Situation als erniedrigend, belastend oder bedrohlich.
• Betroffene sind weniger zufrieden mit ihrer Arbeit, zum Teil stärker gesundheitlich beeinträchtigt und bewerten ihre Beziehung zur vorgesetzten Person schlechter als nicht Betroffene.
• Frauen werden fast ausschließlich von Männern belästigt (98%), Männer zu 39% durch Männer, zu 16% durch beide Geschlechter und zu 46% durch Frauen.
• Zu 43% sind die Belästigenden gleichgestellte Kolleg*innen, zu 19% Vorgesetzte. 53% der Belästigenden waren Kund*innen, Patient*innen, Klient*innen – von dieser Gruppe der Belästigenden sind Frauen deutlich häufiger betroffen.
• Besonders betroffene Branchen/ Berufsgruppen sind: Gesundheits- und Sozialwesen (29%), Handel (12%), verarbeitendes Gewerbe (11%). Berufsgruppen mit Kund*innenkontakt sind häufig betroffen, so Dienstleistungsberufe (13%). Auch Mitarbeitende in akademischen Berufen und Führungskräfte weisen eine hohe Betroffenheit aus.
• Betroffene setzen sich häufig verbal zur Wehr, schalten aber nur in vier von 10 Fällen andere betriebliche oder professionelle Ansprechpartner*innen ein. Der Rechtsweg wird praktisch nie beschritten. Auch externe Beratungsstellen werden nur in 4% der Fälle eingeschaltet.
• Mehr als 40% der Beschäftigten kennt keine betriebsinternen Beschwerdestellen bei Diskriminierung und Belästigung
• Die Studie präsentiert im Rahmen einer Werkforschung auch einige Erkenntnisse zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz in Werkstätten für Menschen mit Behinderung – die Erkenntnisse sind in der Langfassung zu finden, sind jedoch leider nicht repräsentativ.
• Führungskräfte haben eine Schlüsselrolle bzgl. Vorbildfunktion, Information für alle Beschäftigte und Aufstellen von verbindlichen Regeln im Betrieb.
• Empfohlen werden verpflichtende Schulungen von Leitungs- und Führungskräften, obligatorische Verpflichtungserklärungen für Maßnahmen in Betrieben und eine klare Festlegung der Vorgehensweisen und Verantwortlichkeiten sowie die Etablierung interner Ansprechpersonen, sowohl für niedrigschwellige Beratung, als auch für die offizielle Beschwerdestelle.
• Auch externe, spezialisierte, unabhängige Beratungs- und Unterstützungsangebote für Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz sollen flächendeckend aufgebaut und finanziell ausreichend ausgestattet sein. Branchenspezifische Stellen und ganzheitliche Angebote ( psychosoziale, rechtliche und psychologische Beratung) werden hier besonders hervorgehoben.
• Auch im rechtlichen Bereich werden Schutzlücken und Veränderungsbedarfe hervorgehoben, so z.B. die zu kurzen Fristen für Geltendmachung von Schadensersatz oder Entschädigung und für die Klageerhebung. Auch wird darauf verwiesen, dass bestimmte Gruppen von Menschen durch das AGG nicht oder unzureichend erfasst sind (z.B. Studierende, Menschen mit Behinderung, Menschen in ungeschützten Arbeitsverhältnissen,..) Die Schulung von Rechtsanwender*innen zum Thema wird empfohlen.
• Weiterhin empfiehlt die Studie eine Verstetigung von Öffentlichkeitsarbeit zum Thema , um gesamtgesellschaftlichen Sexismus als Nährboden für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz abzubauen sowie eine strukturelle Implementierung der Präventions- und Aufklärungsarbeit im Bildungsbereich